Scrollst du noch oder likest du schon?

Verständlicherweise sind valide Zahlen zur tatsächlichen Nutzung von Social-Media-Plattformen ein gut behütetes Geheimnis. Schließlich verdienen Meta, Google & Co mit der Verheißung größerer Interaktionsraten durch Ads eine Menge Geld. Aber klar: Interaktionen und der Algorithmus der Plattformen sind der Kern des Geschäftsmodells von Social Media.

Fakt ist: Wir als Agentur sind überzeugt von der Wirksamkeit von Online- und Social-Media-Kampagnen. Die Frage ist nur, wie man Erfolg dort bewertet? Und wie wir die Wirkung wahrnehmen? Eine bewusste und reflektierte Wahrnehmung von Social Media ist nicht nur im Kreis der Marketer empfehlenswert. Das gehört in alle Bildungseinrichtungen.

Einfach nur wow!

Rund 85 % der Gesamtbevölkerung in Deutschland ist auf Social Media vertreten. Durchschnittlich 5 Stunden 22 Minuten pro Tag nutzen hierzulande Menschen das Internet – 1 Stunde und 41 Minuten davon verbringen sie dabei auf sozialen Medien (Zahlen laut Meltwater Digital Report 2023). Das ist verdammt viel Zeit. Aber WIE nutzen Menschen diese Zeit?

Digga, hast du die Kommentare gesehen?

Die Nutzung von Social Media ist hauptsächlich passiver Natur – kennt man: Man lässt sich berieseln. So schauen zum Beispiel 37 % der Nutzerinnen und Nutzer, was im Newsfeed angezeigt wird, über die Hälfte der Instagram-User*innen schauen eine nach der anderen Story.
Fast genauso viele – immerhin 36 % – lesen sich die Kommentare durch. Die dort vertretenen Stimmen und Meinungen haben also einen großen Einfluss auf unsere Wahrnehmung von Social-Media-Nutzer*innen im Allgemeinen (Zahlen aus der ARD ZDF Onlinestudie 2020).

Nur mal so:

Kleine rhetorische Frage am Rande, auch weil medial manchmal genau dieser Eindruck entsteht: Sind die Kommentarspalten ein Abbild der durchschnittlichen Meinung? Wie viele Menschen kommentieren eigentlich? Ist das, was in den Kommentaren steht, irgendwie repräsentativ?
Gefühlt, ein klares JEIN! Natürlich haben wir alle von Trollen und anderen zauberhaften Wesen im Social-Media-Land gehört.

Zahlen, bitte!

Wie gesagt: Hier wird die Studienlage dünn. Wer sich wundert, bitte nochmal oben anfangen 😉
Die ersten wirklich konkreten Zahlen, die wir zunächst dazu gefunden haben, sind von 2016. In Internetjahren gerechnet haben die natürlich soooo ’nen Bart. Allerdings lässt sich die Größenordnung dadurch schon mal ganz gut einschätzen: Die Interaktionsrate (also klicken, liken, kommentieren insgesamt) lag damals bei nicht gesponserten Posts bei 4,5 % – bei Ads verständlicherweise im Durchschnitt ein bisschen darunter.

Wir brauchen mehr Interaktion! 
Oder?

Beleuchten wir das mal tatsächlich aus Marketersicht:
Aktuellere Zahlen aus 2021 zeigen, eine realistische (und eher sehr gute!) Interaktionsrate auf Instagram liegt bei bis zu 5 %, der Durchschnitt weit darunter (Zahlen laut Hootsuite).

Halten wir also fest: Die wirklich riesengroße Mehrheit liket und kommentiert also aus Prinzip keine Social-Media-Posts.

Wait a minute!

Warum reden wir dann so viel über Interaktionen und das „social“ in „media“?

Schlussfolgerung: Der Anteil der sich in den Kommentarspalten tummelnden Nutzerinnen und Nutzer ist vermutlich nur ein Bruchteil dieser Interaktionsrate – in jedem Fall schätzungsweise unter 1 % der Bevölkerung.

Die Wahrnehmung ist aber eine andere und die mediale Macht dieser wenigen Leute, die Social-Media-Posts tatsächlich kommentieren ist demgegenüber riesig – auch und vor allem, weil den Aussagen dort unterstellt wird, sie würden von einer größeren, diversen Gruppe von Menschen getätigt.

Like & Comment – eine Typfrage?

Apropos Frage: Ein paar, die wir mal in den Raum stellen wollen:
Sollte die Performance von Social-Media-Kampagnen also wirklich anhand der Interaktionsrate gemessen und konzipiert werden? Ein Großteil der Leute WILL ja offenkundig gar nicht mit dem Content interagieren. Warum die große Mehrheit also zu einem Verhalten ermuntern, dass gar nicht Ihrer Komfortzone entspricht? Sollten dann Unternehmen auf Social Media nicht selbst mehr kommentieren?

Antworten bitte in die Kommentare 😉