Kaum da und schon wieder weg

„Wir bewerben uns bei dir.“ So rum wird ein Schuh draus! Denn auf dem gegenwärtigen Arbeitsmarkt sind es die Unternehmen, die mehr und mehr in der Pflicht sind, sich als Arbeitgeber bei potenziellen Mitarbeiter*innen zu bewerben – und nicht mehr andersrum. In Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels bewegt sich der Arbeitgebermarkt immer mehr hin zum Arbeitnehmer- oder auch Bewerbermarkt.

Den meisten Unternehmen ist durchaus bewusst, dass sie deswegen umdenken und vor allem ihre Recruitingprozesse umstrukturieren müssen. Dies beginnt bei einer aussagekräftigen Stellenanzeige, einem kompetenten und angenehmen Bewerbungsgespräch sowohl mit dem Vorgesetzten, dem Personaler als auch dem Fachpersonal und endet bei der erfolgreichen Einstellung. Der Recruitingprozess ist damit zwar beendet, aber was, wenn dieser neue Mitarbeitende bereits innerhalb der ersten drei Monate kündigt?

Die Probezeit gilt nicht mehr nur für Bewerber. Immer wichtiger wird auch, wie sich der Arbeitgeber vor allem in der Anfangszeit präsentiert. Das zeigt auch die aktuelle Studie Onboarding Reloaded 2022 von Softgarden, der zufolge 17,8 % der neuen Mitarbeitenden ihren Job bereits in den ersten 100 Tagen nach Einstellung kündigen. Einer der Hauptgründe? Das Onboarding war schlecht. Was sie erwarten, sind aber eigentlich ganz nachvollziehbare und selbstverständliche Aspekte: Rund 59 % der Neulinge ist es wichtig, dass sie am ersten Tag den Kollegen vorgestellt werden. Ähnlich hoch gewichtet werden das Vorliegen eines konkreten Einarbeitungsplans oder -programms sowie die vollständige und funktionstüchtige Einrichtung des Arbeitsplatzes. Einen vollständig eingerichteten Arbeitsplatz finden allerdings nur knapp über die Hälfte der Neulinge vor und nur 47 % bekommen einen Einarbeitungsplan. Woran das Onboarding neben der unzureichenden Einarbeitung häufig zusätzlich scheitert sind nicht erfüllte Erwartungen aus der Bewerbungsphase und divergente Jobrealitäten oder auch Differenzen mit den Vorgesetzten.

Dagegen steuern könnten die Vorgesetzten, indem sie die neue Mitarbeiterin oder den neuen Mitarbeiter ausreichend unterstützen (81,3 %), ihr bzw. ihm regelmäßig Feedback geben (90,3 %) und die Erwartungen an die neue Arbeitskraft klar formulieren (92,3 %). Zusätzlichwünschen sich ganze 90,1 % die Freiheit, Aufgaben selbstständig erledigen zu können. Die Realität sieht leider etwas anders aus: Über die Hälfte bekommen keine regelmäßige Rückmeldung zu ihrer Arbeit, nur unzureichend Unterstützung vom Vorgesetzten und wissen nicht, was von ihnen erwartet wird. Wenn der Chef dann noch unsanft reagiert, wenn dem Neuling mal ein Fehler passiert, ist nachvollziehbar, dass es zur Kündigung kommen kann.

Viele Mitarbeitende (über 85 % der Studienbefragten) wünschen sich weiterhin die Möglichkeit, auch von ihrer Seite her Feedback an das Unternehmen oder den Vorgesetzten zu geben. Damit sich diesbezüglich auch jeder traut und sich keiner persönlich auf den Schlips getreten fühlt, könnten Tools eingesetzt werden für das anonyme Abgeben von Feedback. Das kann ein cooles Online-Tool oder auch die klassische Feedbackbox sein.

Was können Arbeitgeber nun ändern, damit neue Kollegen möglichst lange im Unternehmen bleiben? Manchmal sind es Kleinigkeiten oder ganz einfache menschliche Dinge – ein Blumenstrauß und komplett eingerichteter Arbeitsplatz am ersten Arbeitstag, ein Lächeln und ein paar nette Worte von der neuen Kollegin, die das Gefühl vermittelt, gern bei allen Fragen unterstützend zur Seite zu stehen und natürlich und nicht zu vergessen: der Vorgesetzte, der das Team vorstellt und trotz Terminknappheit ab und an ein Zeitfenster für Feedback oder Fragen freihält. All dies zeigt Wertschätzung für das neue Mitglied im Team.

Ein wertschätzender Umgang, um Mitarbeitende ans Unternehmen zu binden ist dabei nicht nur wichtig gegenüber neuen Kollegen, sondern auch gegenüber langjährigen Angestellten, denn im Durchschnitt haben nur 13 % aller Beschäftigten eine hohe emotionale Bindung ans Unternehmen (Gallup Engagement Index 2022). Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, in denen sich die Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber aussuchen können und die Wahl zwischen zahlreichen Jobangeboten haben, sollten Unternehmen weiterdenken als nur bis zum Tag der Einstellung.

Eine zentrale Stellschraube dafür ist die Arbeit an der Arbeitgebermarke des Unternehmens, was eng mit der Steigerung der Mitarbeitendenzufriedenheit zusammenhängt. Was zählt sind nicht nur die Aufgabenbereiche und der Job an sich. Wichtig sind der Zusammenhalt und die Kollegialität im Team, eine kompetente, reflektierte und auch mal positives Feedback gebende Führungskraft sowie natürlich die allseits zitierte Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit und/oder Familie. Auch ein positives Arbeitsumfeld, geregelte Arbeitszeiten ohne zu viele Überstunden, schaffbare Arbeit für die entsprechende Zeit, aber auch genügend und herausfordernde Aufgaben sind essenziell. Langeweile ist nämlich noch schlimmer als zu viel Arbeit (Boreout vs. Burnout).

Für den ein oder anderen mag das klingen nach „Wünsch-dir-was“ für Mitarbeitende. Mag sein – aber letztendlich braucht es genau diese zufriedenen und dadurch engagierten und motivierten Mitarbeitenden, die ein Unternehmen zum Erfolg führen. Stellt sich nur die Frage, wo soll man anfangen? Je nach Ausgangslage, kann das für den einen ganz anders aussehen als für den anderen. Fakt ist jedoch, eine starke Arbeitgebermarke, eine gelungene interne Kommunikation, aber auch ein effizientes Recruiting und ein optimierter Onboarding-Prozess sind Stellgrößen für Mitarbeitendenbindung. Gern beraten wir Sie zu diesen Themen und entwickeln mit Ihnen gemeinsam die nächsten Schritte, die genau zu Ihnen und Ihrem Unternehmen passen. Fragen Sie uns an!