Die Gen Z: arbeitsscheu, illoyal und verwöhnt?
Die Liste der Klischees über die Generation Z ist ellenlang und (wenn man im Netzwerk fragt) zuweilen ganz schön negativ behaftet. Für die einen – so auch XING Arbeitsmarktexperte Dr. Julian Stahl – zählen sie jetzt schon zu den „illoyalsten Jobbern aller Zeiten“ (XING, 2023). Und dabei machen viele Zler überhaupt erst in den nächsten Jahren ihren Schulabschluss oder stecken noch mitten im Studium! Zur Gen Z gehören nämlich alle, die zwischen Mitte der 1990er Jahre und 2010 geboren sind. Die Klischees: Zu faul, zu empfindlich, zu hohe Ansprüche. Wir finden: zu Unrecht und zu einseitig.
Offenheit gegenüber den Vertreter*innen der Gen Z im Arbeitsalltag ist total essenziell aus (nicht nur) einem ganz einfachen Grund: Fakt ist, dass im Zuge des Ausscheidens der Babyboomer-Generation die Gen Z zusammen mit den heutigen Millennials (geboren zwischen 1980 und 1996) eine der wichtigsten Gruppen am Arbeitsmarkt darstellen wird. Im Kampf um Talente haben dann vor allem die Arbeitgeber eine Chance qualifizierte Fachkräfte zu erreichen, die der jungen Generation und ihren Bedürfnissen ein offenes Ohr schenken sowie entsprechende Benefits und passende Arbeitsumgebungen schaffen. Grundsätzlich gilt, dass auf dem heutigen Arbeitnehmermarkt – der durch den Fachkräftemangel geprägt ist – eines unvermeidbar ist: Zu schauen, wie man selbst als Unternehmen zur jungen Generation passen kann und nicht andersrum.
In diesem Sinne: Ein Plädoyer für einen Perspektivwechsel und mehr Offenheit gegenüber der jungen Generation Z.
Zahlen, die erschrecken
Dieses Jahr (2023) veröffentlichten XING und die Recruitingmarke onlyfy by XING eine Studie, die vielfach zitiert und diskutiert wurde. Das Thema: die Jobwechselbereitschaft der einzelnen Generationen. Das Ergebnis? Bei keiner Generation sei die Bereitschaft zum Jobwechsel so hoch wie bei der Gen Z: Mit 48 % sei fast die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen offen für einen Jobwechsel. 14 % von ihnen seien außerdem bereits aktiv auf Stellensuche. Ähnlich hoch sei die Wechselbereitschaft auch bei den Millennials bzw. der Generation Y mit 49 %, von denen immerhin 9 % bereits aktiv Schritte für den Jobwechsel unternommen hätten. Im Vergleich dazu sinke dieser Anteil auf 6 % bei den 40- bis 49-Jährigen und auf 3 % bei der Generation X und den Babyboomern. Alles in allem sind das erschreckende Zahlen und sie lassen junge Fachkräfte ganz schön schlecht dastehen, illoyal eben. Oder?
Stellt man diesen Zahlen die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung von Gallup aus dem Jahr 2022 (Engagement Index Deutschland 2022) gegenüber, ergibt sich ein noch bedenklicheres Bild: Laut dieser hätten nämlich sogar 87 % aller Beschäftigten eines Unternehmens im Durchschnitt keine oder nur eine geringe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber. Autsch, denn diese Zahlen schließen alle Generationen – nicht nur die jüngste – mit ein. Die Folgen mangelnder emotionaler Bindung: innerliche Kündigungen, Fluktuation, Fehlzeiten, Arbeitsunfälle, Qualitätsmangel und verringerte Produktivität. Und eine steigende Bereitschaft zum Jobwechsel. So gaben laut Gallup lediglich 55 % (im Vergleich 2018: 78 %, 2020: 61 %) der Befragten an, in einem Jahr noch bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber arbeiten zu wollen.
Zahlen wie diese deuten darauf hin, dass die Bereitschaft zum Wechsel also nicht nur bei der jungen Generation so hoch sein kann. Worin liegt dann der Unterschied? Warum bemühen sich die Zler so aktiv um einen Jobwechsel und was bedeutet das für Unternehmen?
Alles eine Frage der Perspektive
Für die einen ist es ein Zeichen von Illoyalität. Wir glauben, da steckt mehr dahinter! Und zwar vor allem eine Stärke und eine Chance für Unternehmen: Denn die Bereitschaft, sich immer wieder auf neue Jobs und Kolleg*innen einzustellen bedeutet auch, anpassungsfähig zu sein und den Mut aufzubringen, immer wieder Neues zu probieren. Letzteres bildet dabei nicht nur die Basis für Innovation, sondern auch für Veränderung. Unternehmen, die die Bereitschaft der Gen Z, etwas besonders aktiv einzufordern und das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen als Ressource erkennen und Mitarbeiter*innen für ihre Ziele gewinnen, schaffen Entwicklungspotenzial und ermöglichen Veränderungen, die von ihren Mitarbeiter*innen mitgetragen werden.
Dass es sich auszahlt, die junge Generation für sich zu gewinnen zeigt auch eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Yougov im Auftrag von LinkedIn (2023). Dieser zufolge können sich tatsächlich 57 % der Befragten im Alter von 16 bis 28 vorstellen, über 10 Jahre beim gleichen Arbeitgeber zu bleiben, wenn sie sich dort wohlfühlen. Denn mehr als die Hälfte (52 %) der Befragten wünscht sich vor allem eines: eine solide berufliche Karriere.
Als Chance für Unternehmen sieht auch Unternehmensberaterin Laura Bornmann die neue Generation: Ihr zufolge sei diese mutiger und selbstbewusster, indem sie Grenzen setze und für sich selbst einstehe. Ihrer Einschätzung zufolge wolle die Gen Z wirklich etwas verändern und einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Ein Gewinn für jeden Arbeitgeber! Ganz klar zu äußern, was die Generation brauche, um leistungsfähig zu sein zeige dabei nicht nur Leistungswille, sondern sei zugleich ein super Wegweiser für die Entwicklung von Unternehmen und zufriedene Mitarbeiter*innen. Die Forderungen stellten keinen Widerspruch zu Leistung dar, sondern seien vielmehr eine Voraussetzung für ebendiese, so Bornmann.
Die Gen Z ist faul tickt einfach anders
Die Anforderungen, welche die Generation Z an Arbeitgeber hat, sind also tatsächlich hoch. Sie stellt sich das Arbeitsleben eben anders vor, als noch ihre Elterngeneration. Der Maßstab für ihr Handeln: veränderte Wertmaßstäbe. So ginge es aus Sicht von Journalistin und Unternehmensberaterin Ronja Ebeling grundsätzlich darum, dass Arbeit für die Gen Z heute nicht mehr den Lebensmittelpunkt darstelle und dass zugleich Familie und das, was das Leben mit Sinn erfüllt immer wichtiger werde. Der Grund dafür: Die Erfahrungen ihrer eigenen Eltern (die teilweise nur für ihre Arbeit gelebt und nur selten die Familie gesehen hätten) zeige ihnen, was sie nicht wollen und verhindern möchten.
Ist die Gen Z also tatsächlich so faul, illoyal und arbeitsscheu, wie manche behaupten? Oder tickt sie einfach anders? Jetzt wäre eigentlich der Zeitpunkt darüber zu sprechen, dass der Konflikt zwischen Generationen so alt ist wie die Menschheit. Es wäre außerdem der Moment zu hinterfragen, ob Mitglieder der älteren Generationen Benefits wie Teilzeit, 4-Tage-Woche und Sabbatical nicht genauso in Anspruch nehmen würden (oder genommen hätten), wenn die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Wertmaßstäbe und Lebensvorstellungen eine andere (gewesen) wäre.
Letztendlich handelt es sich dabei gar nicht mehr nur um einen Wunsch der Gen Z, sondern inzwischen auch um einen gesamtgesellschaftlichen Trend, der notgedrungen zu einem Wandel der Arbeitswelt führen wird, wie wir sie heute kennen. Die psychische Gesundheit zu priorisieren und ein gesundes Gleichgewicht zwischen Privat- und Berufsleben zu finden ist aus unserer Sicht grundsätzlich keine verkehrte Forderung, sondern eigentlich doch ganz menschlich und gesund. Wie genau die tatsächlichen Rahmenbedingungen aussehen müssen, um das ermöglichen zu können, wird in den kommenden Jahren noch ausgelotet werden.
Eines sollten wir der jungen Generation bis dahin lassen: Sie heizen die Debatte um neue Arbeitswelten an, fordern neue Konzepte und Bedingungen ein und setzen aktiv Grenzen – und fördern so Stück für Stück bessere Bedingungen und neue Möglichkeiten für alle Generationen: Ein wunderbares Produkt eines jeden Generationskonfliktes.